Ein Drei-Tassen-Problem by Stefan Winges

Ein Drei-Tassen-Problem by Stefan Winges

Autor:Stefan Winges [Winges, Stefan]
Die sprache: deu
Format: azw3, epub, mobi
Tags: Krimi/Thriller
ISBN: 9783863585716
Herausgeber: Emons Verlag
veröffentlicht: 2014-07-29T22:00:00+00:00


KAPITEL VII

Möring kannte dieses Gesicht. Er begegnete ihm jeden Morgen, wenn er beim Rasieren in den Spiegel blickte. Nur sah es gewöhnlich anders aus, nicht so verquollen, nicht so grau und die Augen nicht so klein und verkniffen. Aber es war ein Gesicht, das vollkommen zu dem bohrenden Schmerz hinter seiner Stirn passte. Möring murmelte einen Fluch vor sich hin und griff nach der Rasierseife. Er hätte gestern Abend vielleicht doch besser Larkens Mokka trinken sollen. Nur den Mokka.

Er vermied jede allzu heftige Bewegung und hielt den Kopf betont aufrecht. Deshalb brauchte er für das Ankleiden heute etwas länger als sonst. Vor allem die Schuhe stellten ein Problem dar. Seine Füße waren ihm noch nie so weit entfernt vorgekommen.

Als er auch diese Aufgabe glücklich gemeistert hatte, hörte er, wie nebenan jemand das Wohnzimmer betrat. Geschirr klirrte. Leise, aber nicht leise genug.

Möring zog die Tür auf. »Müssen Sie denn unbedingt einen derart infernalischen Krach machen, Frau Becker?«

Seine Wirtin warf ihm nur einen missbilligenden Blick zu und setzte das große Tablett mit dem Frühstücksgeschirr hart auf dem Esstisch ab. Möring verzog schmerzhaft das Gesicht.

»Nicht, wenn Sie kein Frühstück haben möchten, Dr. Möring«, erwiderte sie spitz und musterte ihn ohne Mitleid. »Sie sehen gar nicht gut aus.«

»Es geht mir auch nicht gut.«

»Ja, ja. Gestern Abend scheint es wieder spät geworden zu sein.«

»Ach … gar nicht. Ich glaube, bei mir ist eine Erkältung im Anzug.« Möring hüstelte leidend, gab sich aber keinen Illusionen hin. Natürlich würde er damit nicht durchkommen.

»Eine Erkältung, ha. Und was ist mit dem Whisky?«

»Was soll damit sein?«

»Gestern war die Karaffe noch fast voll.«

»Jetzt übertreiben Sie aber!«

»Von wegen!« Sie stemmte beide Arme in die Seiten. »Sie sollten sich schämen, Sie – ein Doktor!«

Möring hob beschwichtigend eine Hand. »Hören Sie, Frau Becker, das sehen Sie falsch …«, setzte er zu einer Erklärung an, doch seine Wirtin ließ ihn nicht ausreden.

»Nein, nein – Herr van Larken kann es nicht gewesen sein! Er war nämlich völlig nüchtern, als er heute Morgen aus dem Haus gegangen ist.«

»Larken ist schon fort?«, wechselte Möring geschickt das Thema.

»In aller Herrgottsfrühe. Und natürlich wieder einmal, ohne den Tisch vorher frei zu räumen! Wo soll ich denn jetzt das Frühstück servieren?«

»Warten Sie, ich schaffe etwas Platz.«

Wenigstens waren es diesmal keine alten Schuhe, sondern nur Papiere, die sich auf der Tischplatte stapelten. Möring schob sie zusammen und warf einen flüchtigen Blick darauf. Auf einigen Blättern erkannte er Larkens schier unleserliche Handschrift, bei den anderen handelte es sich meist um Zeitungsausschnitte. Offenbar hatte sich Larken in der Nacht über den Baron informiert, denn in den Artikeln tauchte regelmäßig der Name »Dollingen« auf und war jeweils auffällig rot eingekreist.

Verwundert nahm Möring einen der Ausschnitte in die Hand. Er wusste zwar von dem umfangreichen Archiv, in dem Larken alle möglichen Informationen über kriminalistische Themen aufbewahrte. Dass dazu auch Gesellschaftsklatsch zählte, überraschte ihn allerdings. Vor allem, weil Larken sich noch gestern so über seine einschlägigen Kenntnisse lustig gemacht hatte. Amüsiert sah er auf das Blatt hinunter. Anscheinend war das Sammeln der Gesellschaftsspalten weniger anstößig als das bloße Lesen.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.